Florence + The Machine: Ein Album wie «ein Horrorfilm»
Veröffentlicht: Freitag, 31.10.2025 06:00

Passend zu Halloween
London (dpa) - Es ist kein Zufall, dass das neue Album von Florence + The Machine ausgerechnet an Halloween erscheint. «Das war definitiv Absicht», bestätigt Frontfrau Florence Welch im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. «Wenn das letzte Album ein dunkles Märchen war, dann ist dieses hier einfach ein Horrorfilm.»
«Everybody Scream» heißt die neue LP, die sechste der britischen Indierock-Band. Und darauf geht es thematisch etwas düsterer zu. «Ich habe mich viel mit Magie, Medizin und Hexerei beschäftigt – der Zeitpunkt passte also perfekt», erzählt die 38-Jährige. «Außerdem reimt sich alles, das macht mich sehr glücklich: "Everybody Scream", Florence + The Machine, Halloween - das finde ich sehr zufriedenstellend.»
Körperliche Grenzerfahrungen als Inspiration
Ihr Interesse an den mystischen und dunklen Themen wurde schon vor Jahren geweckt. «Ich hatte eine Art Nahtoderfahrung. Wie nah, weiß ich nicht, denn ich bin ja nicht gestorben, aber es passierte auf der Bühne, und ich war mir gar nicht bewusst, dass ich in Gefahr war.» Welch meint eine Eileiterschwangerschaft.
Später brachte sie beim Coachella Festival ein Konzert zu Ende, obwohl sie sich dabei den Fuß gebrochen hatte. «Wenn ich performe, hat das immer etwas Überirdisches für mich. Und Songwriting war für mich immer eine Art Portal zu etwas Mystischem», so die Musikerin, die für ihre intensiven, mitreißenden Auftritte bekannt ist. «Als dann solche Dinge passiert sind, musste ich tiefer in die Themen Mystik und Magie eintauchen, um das besser zu verstehen. Es war auch eine Art der Heilung.»
Ob sie an Magie glaubt? «Ich glaube an die Macht des Songwritings und der Performance als eine überirdische Handlung. Dabei wird man möglicherweise Teil von etwas Größerem, etwas, das ich gar nicht richtig begreife. Aber als ängstlicher Mensch mit einer Neigung zum magischen Denken muss ich auch sehr geerdet bleiben, damit ich nicht verrückt werde.»
«Ich breche zusammen, stehe wieder auf»
Die vorab veröffentlichte Single «Everybody Scream» empfiehlt sich bereits für Live-Konzerte der kommenden Welttournee - und jeder folgenden. «Es wurde für die Bühne gemacht», bestätigt Welch. Das Lied mit dem treibenden Rhythmus und dem eruptiven Refrain wirkt wie eine Beschreibung ihrer Karriere - samt der körperlichen Extremerfahrungen.
«I break down, get up, do it all again / Because it’s never enough and she makes me feel loved» («Ich breche zusammen, stehe wieder auf, mache alles noch einmal / Denn es ist nie genug, und sie lässt mich geliebt fühlen»), singt sie. Ob «sie» die Musik ist - oder eine höhere Macht? Das darf jeder für sich interpretieren.
Übrigens hat die 38-Jährige ihre Lehren aus den schmerzhaften Erlebnissen gezogen. Lange vor der geplanten Tournee, die im Februar 2026 beginnt und auf der Florence + The Machine auch in Köln, München und Berlin Halt machen werden, hat sie mit einer speziellen Vorbereitung begonnen. «Ich bereite meine Füße vor, mache Physio», verrät sie. «Ich stärke jeden Teil meines Körpers für die Tour.»
Faszinierende Klangwelten und magische Atmosphäre
«One Of The Greats» hat Elemente von 70er-Jahre-Garagenrock und Grunge. Der Song über das Streben nach Perfektion beim Songwriting gipfelt in einem fulminanten Finale. «Der kreative Prozess bringt einen jedes Mal um, und man ist nie wirklich zufrieden. Und trotzdem machst du es wieder», erklärt Welch. «Du holst dich selbst von den Toten zurück, nur um das alles noch einmal zu durchleben.»
Mit verschiedensten Instrumenten und Geräuschen erschaffen Florence + The Machine faszinierende Klangwelten und eine entrückte, tatsächlich magische Atmosphäre.
Bei «Sympathy Magic» wirken kräftige Synthesizer und wuchtige Drums. Bei anderen Songs treffen moderne Instrumente auf altertümliche Sounds. «Wir haben uns viel mit dem Mittelalter befasst», berichtet die Sängerin. «Wir wollten gezielt viele solcher Elemente miteinander verschmelzen.»
«Als würdest du die Augen schließen und den Film sehen»
Bei «Drink Deep» haben Florence + The Machine mit einem Chor gearbeitet, der auf mittelalterliche Musik spezialisiert ist. «Ich wollte ein Folk-Horror-Gefühl. Als würdest du die Augen schließen und den Film sehen.» Florence Welch ist selbst Fan des Genres, zu dem Filme wie «The Wicker Man» oder «Midsommar» zählen.
«Am besten habt ihr eure Therapeutin im Kurzwahlspeicher», scherzt sie und lacht, «oder jemanden zur Unterstützung, den ihr nach dem Hören anrufen könnt.» Aber keine Sorge – wer mit Horrorfilmen nichts anfangen kann, muss sich nicht fürchten. «Everybody Scream» ist in erster Linie ein vielseitiges Pop- und Rockalbum – atmosphärisch dicht, emotional aufgeladen und eingängig. Großes Kino für die Ohren.



